Kongo Schorsch
 
John

John war Schauspieler, ein mäßiger anfangs, doch bald, kaum waren die richtigen Freunde gefunden, ein gut bezahlter, somit etablierter Darsteller. Seine Rollen waren unspezifisch, keine schien ihm auf den Leib geschnitten zu sein, bis er eines Tages das Skript eines jungen Schweden durchlas, das ihn so bewegte, daß er seinerseits seine Freunde dazu brachte, die Filmindustrie anzuwerfen, um es auf Zelluloid umzusetzen. Es war eine einzige Szene, die ihn für den Film brennen ließ: Ein Mann, Zeit seines Lebens einsam und grüblerisch, steht in seiner sterilen Küche. Es klingelt an der Tür. Er erwartet niemanden. Er verharrt. Es klingelt ein zweites, doch kein drittes Mal: Die Tür wird aufgebrochen, -getreten, oder wie auch immer, jedenfalls tritt herein: Die schönste, ja: seine Traumfrau -er spürt es, würde es auch ohne ihren blendenen Anblick spüren-, sie durchschreitet das aufgebrochene Portal, kommt auf ihn zu, packt ihn - und beide wissen: Sie sind füreinander geschaffen, bestimmt, wie auch immer. John nun brannte zu Innerst berührt, fieberte seiner Katharsis am Set entgegen, ja wiegte sich bald im festen Glauben, seine Zukunft stünde nicht mehr in den schnöden Sternen, sondern in jenem Skript. Als es endlich so weit war, die Kulisse stand, Maske und Make-Up waren fertig, eigentlich alles bereit, war er von solch wissender Gelassenheit überfüllt, daß ihn nichts mehr kümmerte, nicht einmal der Umstand, daß weibliche Darstellerin nicht anwesend war. Er saß glücklich bis dümmlich grinsend da und labte sich an seinem günstigen Schicksal, die -die!- Passage immer und immer wieder in sich aufsaugend, wobei ihn allerdings plötzlich der Regisseur stören mußte, denn, so habe er gerade erfahren, käme die -zugestanden göttliche- Schauspielerin nicht, weil sie John hasse, wie sonst etwas, trotzdem sie ihn nicht kenne, aber das spüre sie auch so, was John nun dergestalt überraschte, daß nach kurzen, heftigen Atmungsversuchen er rot, schließlich violett, anlief und im Schoß des Regisseur verstarb, der, so gestand er später, nie jemanden so vergöttert, geliebt oder was auch immer habe -was er einfach spüre und wisse- wie John, was die göttliche Diva, als sie davon erfuhr, wem ihr heimlicher und wissentlich, spürbar oder wie auch immer zugehörige Schwarm nachhing, in solche Trauerqualen stürzte, daß sie mit diesen und einem ordentlichen Vollrausch just in jenem Moment vom Dach der Studiohalle sprang, als der ebenfalls trunkene Regisseur unter ihr heimwärts schwankte. Schrecklich, meinte der Vorstand der Produktionsfirma, schrecklich sei so eine menschliche Tragödie ja schon, so ein gleich dreifacher Verlust an Arbeitskraft, doch man sei erstens gut gegen Ausfälle versichert und zweitens um eine kostenlose Werbungkampagne in der YellowPress bereichert. Dann ging er heim, der zynische, einsame Mann, stellte sich in seine Küche und wartete. Noch bevor sie klingelte, hatte er die Tür geöffnet, blickte in ihre feurigen Augen, wie sie in die seinen, und sie küßten sich inbrünstig, gerade noch rechtzeitig, bevor die tonnenschweren Überreste einer vom Kurs abgekommenen ehemaligen Raumstation das Haus, den Garten und den korrekt parkierten Oberklassewagen zermalmten.


KJB Reinsch, einziger Toilettenpirat seines Wissens, zweifacher Meister im Zwiebel!-Denken und Hotelfachmann für Atomraketen überliefert der Nachwelt weiterhin menschliche Schicksale, die zur Nachahmung auffordern.

Edmundo P.


 
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