Der Muff
 


Die Penetriermaschine (Teil1)

Als ich Hildegard von Bingen im Frankfurter Stadtwald zu Worms traf, konnte ich die Folgen dieses Treffens noch gar nicht absehen. Wie denn auch, ich kannte sie ja bloß aus den Schaufenstern der Apotheken und war nicht mit ihrem Geiste vertraut.
Sie stand mir gegenüber, war gewandet, wie in alten Zeiten. Sie stammte wohl aus Zeiten die jetzt alt sind, die vorbei zu sein schienen, mir aber in diesem Moment so präsent vorkamen, dass ich begann wild zu ejakulieren. Sie grinste mich an. Es war das tiefe Grinsen einer medikamentös allzu lang behandelten Eßstörung und so roch sie, nicht sehr angenehm. Kalt und sauer war ihr Geruch. Noch gefangen von diesen Eindrücken, drang ihre tiefe Stimme in meine Gehörgänge ein und hinterließ dort: "Vergiss den Bimbes, löse dich vom Nimbus, baue etwas mit Bestand, was ewig währt, was auf immer mit Dir verbunden ist". Dann verschwand sie im Wald.
Die Worte gingen mir aber nicht aus dem Kopf, obwohl ich zu vergessen suchte. Es gelang mir nicht. Ich hatte einen Auftrag erhalten und ein Mann ist nur so gut wie sein Auftrag, oder beides. Und ich begann zu begreifen. Endlich hatte mir eine höhere Autorität etwas erteilt, ich war freigesprochen, frei, dass zu tun was mir aufgetragen wurde, ich gehorchte ich war frei, frei ohne eigene Gedanken. Ich vertiefte mich immer mehr in meine Aufgabe, ich hatte etwas zu schaffen, zu kreieren, ich würde gottgleich werden. Von nun an sollte die Maschine mein Leben bestimmen! Ich könnte jetzt noch berichten, wie ich diese Maschine baute und wie sie funktionierte, doch will ich dies nur am Rande streifen und mit der Aussage abtun, dass sie funktionierte und dies sehr gut.
Doch ich hatte mich so in die Aufgabe versteift, war Hildegard gefolgt und erkannte zunächst nicht, dass sie mich ausgetrickst hatte, die alte Kräuter Hure, ich war auf ihren Mummenschanz hereingefallen. Von wegen ich war frei, sie hat mich benutzt. Und als ich mich so in die Aufgabe vertiefte, vergaß ich das Wichtigste. Ich vergaß das, das uns menschlich sein lässt. Ich vergaß das Essen und das Trinken, für vier lange Jahre. Selbstverständlich nicht urplötzlich, doch schleichend wurde ich dünner und dehydrierte. Als ich dann meine Maschine fertigstellte, war ich am Ende. Ich sah aus wie eine verdürrte Rosine, aber eigentlich war ich sehr attraktiv.


 
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