Klaus Kaske
 
Kontakte für analoge Rentner.
Sie erwarten es nicht.



Wasser marsch und Kräne werden feucht.
Michel, der grobe Eremit, hat gestern wieder das Tobsuchtsgewehr nach oben geholt. Sebastian hat wiedermal zwei Arme eingebüst und Ralph weint schon den ganzen Tag. Stell Dir vor, das Gewehr war nicht einmal geladen und trotzdem liegen alle Nachbarn am Rand rum. Hoffentlich schenkt Mutter Michel dieses Jahr was anderes zu Weihnachten als immer diese Hi-Tec-Mörser. Der ganze Speicher ist schon voll davon. Onkel Erasmus ist vor einer Woche aus dem Guerilla-Camp in Beirut heimgekehrt. Du weißt, er ist doch in dieser Sekte. "Analoge Rentner" nennen sie sich. Sie trainieren für eine Staatsstreich in Regensburg oder so. Er ist Ausbilder oder Drill-Sergeant für irgendwelche plutoniumbetriebenen Meerschweinkitze. Neulich hat er mir einen von seinen selbst gehäckelten Marschflugkörpern gezeigt. Ganz stolz war er, besonders auf das Navigationssystem. Ein Kiste voller Kleiderbügel. Er sagt, wenn der Antrieb gezündet wird funktioniert das wie beim Wäschetrocknen. Einfach Benzin drauf und sich schnell daneben hinlegen.
Nach zwei Stunden wird mir kalt und ich stehe wieder auf. Onkel Erasmus liegt immer noch da und schaut sehr konzentriert auf seinen Helm, den er aus Tarnungsgründen fallen gelassen hat. Seitdem er sich so analog verhält, schreiben unsere Brieffreunde aus Gosslar nicht mehr so oft wie früher. Sie schicken auch nicht mehr diese schönen Anhängerkupplungen, die sie immer reizend verziert haben. Sie waren die Attraktion auf vielen Geburtstagsfeiern. Die Kinder haben die Kupplungen so gerne in die Tiere gedrückt bis alle gelacht und sich Zigaretten verkauft haben.
Jetzt muß ich aber aufhören, denn die Tränen stehen mir schon in den Augen, wenn ich an die gute, alte Zeit zurückdenke. Dieses Weihnachten wird ein ganz besonderes. Da bin ich mir sicher.

Klaus "Campari" Kaske


 
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